Malaise with the Austrian Cuktural Heritage I 2016 – ongoing

Die Sonderausgabe des Kunstmagazins Parabol von 2021 kooperierte mit kültüř gemma!. Von Wien aus fördert kültüř gemma! die migrantische Kulturproduktion mit Arbeitsstipendien und Fellowships1. Das Magazin im DIN A1 Format (aufgeklappt doppelt so groß) wiederum begreift sich als zweidimensionaler Ausstellungsraum zeitgenössischer Kunst und arbeitet folglich mit Kultureinrichtungen oder Kurator*innen zusammen. Als Kuratorin dieser Ausgabe lud Galia Baeva von kültüř gemma! Gürsoy Doğtaş ein. Beide blättern nach getaner Arbeit durchs Parabol und halten auf einigen Doppelseiten inne.

Für gewöhnlich sucht der Kurator Künstler*innen für eine Ausstellung zusammen. Die Parabol Ausgabe funktionierte in dieser Hinsicht anders. kültüř gemma! hat intern einen Aufruf gestartet, sich an dieser Ausgabe zu beteiligen. Insgesamt 18 Stipendiat*innen und Fellows sind diesem Ruf auch gefolgt und sie prägen nun maßgeblich die Parabol-Ausgabe. Die Aufgabe bestand nicht darin, aus deren Arbeiten auszuwählen, sondern ihnen eine Form anzubieten, in denen sie einem anonymen Publikum Einblicke in ihre Arbeitsweise sowie ästhetischen und sozio-politischen Auseinandersetzungen geben konnten. Als einen gemeinsamen gestalterischen Ausgangspunkt schlug Gürsoy den Ansatz von Aby Warburgs Bilderatlas vor 2. Vier der Positionen werden hier kurz eingeführt. Sie überschreiten – im Sinne des Bilderatlas – Fachgrenzen zwischen Kunst, Politik und Aktivismus und präsentieren ein neues Bildgedächtnis.

Wien dekolonialisieren

Umbenennungen von rassistischen Straßennamen und Plätzen sind in Österreich und Deutschland eine Seltenheit. Die M*Straße in Berlin wurde beispielsweise erst vor wenigen Wochen nach dem ersten bekannten Philosophen afrikanischer Herkunft in Deutschland, Anton Wilhelm Amo, umbenannt. Amo lehrte im 18. Jahrhundert an den Universitäten Wittenberg, Halle und Jena. Für gewöhnlich treffen die Einwohner*innen der Städte wie München oder Nürnberg immer wieder auf Apotheken, die das M*Wort im Namen tragen oder auf das Logo eines Biers, dass auf visueller Ebene den Rassismus fortsetzt. Obwohl der rassistische Kern des Wortes dem Demokratieverständnis widerspricht, kann es sich dennoch erhalten, selbst in diesen beiden Städten, in denen u.a. der Nationalsozialistische Untergrund in den 00er Jahren Migranten ermordete.

Als Carla Bobadilla ihren Beitrag für Parabol einreichte, traf sie so einen Nerv. Sie setzte ihre dekolonialisierenden Auseinandersetzungen mit den Geschichten von Gassen in dieser Ausgabe fort. Diesmal ging es um die Große M*gasse und Kleine M*gasse im 2. Wiener Gemeindebezirk, in der Nähe des Praters. Der Doppelseite ist zu entnehmen, dass der Begriff des M*Wortes einen Wandel erfahren hat. Zunächst bezeichnete es in einer despektierlichen Absicht u.a. Muslime und dann in der Barockzeit wurde der Begriff auch für versklavte Schwarze im Dienste adeliger Höfe verwendet. So eine Historie ist gedanklich mit den Orten verstrickt. Carla Bobadilla arbeitet diese kartographischen Prägungen aus und führt auch die erfolgreichen Kämpfe der Umbenennung auf, wie beispielsweise, dass Mireille Ngosso (eine Mitorganisatorin der Black-Lives-Matter-Proteste in Wien) erreichen konnte, dass die M*-Apotheke ihren Namen änderte.

Gürsoy Doğtaş ist Kunsthistoriker, Publizist und Kurator, der an den Schnittpunkten zu Institutionskritik, Rassismus und Queerstudies arbeitet. Er forscht an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Galina Baeva studierte Kunstgeschichte in Wien und Florenz. Bis 2019 arbeitete sie als Projektkoordinatorin bei den Vereinen maiz und das kollektiv. Momentan leitet sie kulturen in bewegung. Sie ist die Mitinitiatorin des Projekts kültüř gemma! und seitdem verantwortet sie dessen kaufmännischen Agenda. Das Special Edition von parabol art magazine koordinierte sie inhaltlich und organisatorisch mit.

Migrazin.at

Parabol.org

Bilder Carla Bobadilla. Text Petz Haselmayer. Wien, 2021