Schmetterlinghaus I 2020

Im Schmetterlinghaus im Burggarten, inmitten einer üppigen, tropischen Pflanzenwelt, finden Besucher*innen vier lebensgroße Figuren: die Mitglieder einer Familie eines indigenen Volkes aus dem Amazonasgebiet. Wozu sind sie dort platziert? Sollen sie zusammen mit künstlichen Baumstämmen und Plastikblumen den Ort „dekorieren“ und ihm ein „exotisches“ Flair verleihen? Tourist*innen, Familien, Grundschulklassen und Kindergartengruppen gehen dorthin, um Schmetterlinge zu beobachten und in die kaiserliche Vergangen-heit Wiens einzutauchen.

Carla Bobadilla fragt mit ihrer Arbeit Schmetterlinghaus, wer etwas davon hat, dass sich diese vier Figuren im Schmetterlinghaus befinden – ohne Stimme und ohne eine Geschichte, die ihre Herkunft erklärt. Was denkt sich zum Beispiel ein Kind peruanischer Einwanderer, wenn es sieht, dass seine „Vorfahren“ ohne jegliche Erklärung in Skulpturen verwandelt wurden?

Die Künstlerin interessiert, wie im öffentlichen Raum Geschichte sichtbar wird, sie erforscht auch in gemeinsamen Spaziergängen Orte, an denen sich das kulturelle Erbe des Kolonialismus zeigt.

Mit Kolonialismus ist die Beherrschung von Ländern in anderen Erdteilen durch verschiedene europäische Staaten gemeint. Vom 15. Jahrhundert an drangen Europäer in viele Regionen der Erde vor, um zu erkunden und zu siedeln, zu handeln und zu herrschen, um auszubeuten und zu stehlen. Die Menschen konnten sich gegen die gewalttätige Macht der Europäer nicht wehren und ihre Länder wurden zu sogenannten Kolonien. Grundlage für den Kolonialismus waren Entdeckungsreisen von Seefahrern wie Vasco da Gama oder Christoph Kolumbus. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten viele Kolonien ihre Eigenständigkeit zurück. Die ehemaligen Kolonien haben oft bis heute mit großen Problemen zu kämpfen, die ihre Ursachen in der Kolonialzeit haben. Deshalb ist es umso wichtiger dass wir verstehen, wie Aspekte der Kolonialgeschichte heute noch nachwirken und sie in Frage stellen – und korrigieren: Zum Beispiel über die Figuren im Schmetterling-haus nachzudenken, zu überlegen, ob und warum sie dort bleiben sollen und zu hinterfragen, wie wir gemeinsame Räume gestalten, ohne dabei die Gefühle oder die Kultur anderer zu verletzen.

Wolfgang Brunner, Andrea Hubin, Michaela Schmidlechner, Michael Simku, Martin Walkner (Ausstellungsbooklet 2020)

Realized in the frame of the exibition Space for kids. Denk(dir)mal!

Commissioned by KUNSTHALLE WIEN

Installation I Photo collages I ©2020

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